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Unternehmen, die die Arbeitswelt verändern I

Beitrag vom 30.03.2015: Jonas Jankus

Gabe Newell ist Unternehmer. Seine Firma „Valve Corporation“ zählt über 300 Mitarbeiter auf zwei Kontinenten und wurde 1996 gegründet. Seitdem hat sich das Unternehmen auf einen geschätzten Wert von 2,5 Milliarden Dollar vergrößert und hat seinen Markt – den Online-Videospielhandel nicht nur mit erfunden sondern auch fast vollständig erobert. Was ist das besondere an Valve? Als Mehrheitshalter hat Gabe Newell nicht mehr zu sagen als seine Angestellten. Genau genommen gibt es bei Valve gar keine Hierarchie – und auch die Personalauswahl wird von allen Mitarbeitern durchgeführt. Wie kann so ein Betrieb so erfolgreich sein?

Traditionell sind Unternehmen hierarchisch aufgebaut: Von der Geschäftsführung an der Spitze spaltet sich das Unternehmen mehr und mehr in separate Silos von Geschäftsbereichen, Abteilungen und Teams. Die Schnittstellen dazwischen stellen Führungskräfte dar, die den Informationsfluss zwischen „oben“ und „unten“ steuern und Entscheidungen treffen. Diese Strukturen haben sich während der Industrialisierung bereits entwickelt: Als viele unqualifizierte Mitarbeiter relativ simple Tätigkeiten ausführen mussten, wurden besonders fähige Arbeiter zu Vorarbeitern befördert. Diesen vorgesetzt waren wiederum Manager, die allen Vorarbeitern vorgesetzt waren – dieses System wurde bis an die Spitze des Unternehmens fortgesetzt. Ursprung dieser Strukturen war das „Scientific Management“, ein Produkt der Arbeit des Ökonomen Frederick Taylor.

Scientific Management war ein Weg, die Profite schon bei der Produktion zu maximieren: Effiziente Abläufe für den Zusammenbau oder die Verpackung von Teilen zu finden, Pausenzeiten streng kontrollieren und verschwenderische Abläufe zu verbessern. Das war sehr fortschrittlich: Die Arbeiter waren meist ungebildet und unqualifiziert, und es war die Aufgabe der Manager, den Betrieb im Sinne der Geschäftsleitung streng und kleinteilig zu führen, um die Unternehmensziele zu erreichen. Aus dieser Tradition erwuchsen die Unternehmensstrukturen, die bis heute in großen Konzernen zu finden sind: Hierarchien, Workflows, gegenseitige Kontrolle und streng abgesteckte Verantwortungsbereiche. Zunehmend jedoch stößt dieses Modell an seine Grenzen, besonders wenn Unternehmen mit Zeitdruck konfrontiert sind und/oder sich an neue Gegebenheiten anpassen müssen.

Und Valve? Hier hat Mr. Newell Weitsicht bewiesen: Er hat erkannt, dass eine Firma, die ein komplexes, kreatives und anspruchsvolles Produkt wie ein Computerspiel produziert, nicht geführt werden kann wie ein traditionelles Unternehmen. Bei Valve gibt es keine Teams und keine Chefs – die Mitarbeiter haben mobile Arbeitsstationen, mit denen sie sich frei im Unternehmen bewegen können. MitarbeiterInnen rekrutieren sich gegenseitig für Ihre Projekte und verteilen die Aufgaben untereinander. Führungsaufgaben werden periodisch für einzelne Projekte übernommen und auch wieder abgegeben, und die Mitarbeiter dürfen als Experten für Ihre eigenen Fähigkeiten selbst entscheiden, wo und wie sie sich einbringen. So sind alle Beteiligten auf Augenhöhe und arbeiten gerne zusammen. Bei Valve entscheidet die Qualität einer Idee, ob Sie vom Kollektiv der Mitarbeiter verwirklicht wird.

Natürlich erfordert so eine Unternehmensstruktur besondere Eigenschaften bei den Mitarbeitern: Deswegen werden neue Mitarbeiter durch die bereits anwesenden KollegInnen interviewt und ausgewählt. So wird sichergestellt, dass die neuen Bewerber zum Unternehmen und den Kollegen passen. Im Endresultat steht ein Unternehmen, dass durch Vertrauen in seine Mitarbeiter und das Gewähren von großen Handlungsspielräumen Raum schafft für Exzellenz: Valve’s Plattform „Steam“ ist die ungeschlagene Nummer 1 für den digitalen Erwerb von Videospielen, und auch einige von Valve selbst veröffentlichte Videospieltitel haben sich als weltweite Erfolge in den Geschichtsbüchern verewigt. Selbst im durch Raubkopien vermeintlich unwirtschaftlich gemachten russischen Computerspielmarkt steht Valve an der Spitze und erwirtschaftet dort seine stärksten Umsätze auf dem europäischen Kontinent – weil sie schneller handeln als die Raubkopierer.

Soll jetzt jedes Unternehmen werden wie diese Computerspielfirma? Nein. Die Anforderungen unterscheiden sich zwischen Branchen zu stark, um solche Modelle einfach übertragen zu können. Und dennoch glaube ich, dass flachen Hierarchien und Handlungsspielräumen die Zukunft gehört – in allen Unternehmen.

Lust auf Mehr? Schauen Sie mal in Valve’s Handbuch für Neueingestellte.

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